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Artikelreihe Medienbewusstsein

#1: Netz der Netze

Die neue Artikelreihe „Medienbewusstsein“ setzt sich mit der Bedeutung von Medien für die Gesellschaft auseinander und hinterfragt Einfluss und Auswirkungen derselben. Wenig überraschend geht es gleich zu Beginn um das Internet, um die Konzepte und Ideen dahinter.

Das Leben der Menschen wurde zu allen Zeiten stark beeinflusst von jenen Medien, die zur Kommunikation jeweils zur Verfügung standen. Das geschriebene Wort ermöglichte beispielsweise, Entdeckungen und Ereignisse für die Nachwelt festzuhalten. Der Buchdruck beschleunigte die Vervielfältigung von Gedanken sowie das Postwesen deren rasche Verbreitung, Telefonie erlaubte Gespräche in Echtzeit trotz räumlicher Trennung, Radio und Fernsehen brachte die Übertragung diverser Programme und Sendungen für die Massen. Unter einer Vielzahl von weiteren Informationsträgern und Übermittlungstechnologien verdient das Internet besondere Aufmerksamkeit, da es einerseits heute ganz alltäglich genutzt wird und andererseits als vergleichsweise junges Medium herausragende Konzepte erstmalig praktikabel umsetzen konnte.
Wild verkabelte Erdkugel

Eine wesentliche Eigenschaft wird schon im Namen genannt, denn „Internet“ ist die Abkürzung für „interconnected networks“, es handelt sich also um „untereinander verbundene Netzwerke“. Ziel war es zunächst, bereits bestehende lokale Computernetzwerke (z.B. das einer Universität, einer Region, eines Unternehmens, einer Stadt) auf übergeordneter Ebene miteinander verbinden zu können. Vorher waren alle diese kleineren, begrenzten Netzwerke voneinander getrennt gewesen, weshalb Computer eines anderen Netzwerks prinzipiell unerreichbar blieben. Mit dem Anschluss von solchen „Unternetzwerken“ an das Internet wurde dieser ersehnte Zugang geschaffen – plötzlich wurde ein gegenseitiger Austausch über große Entfernungen und komplexe Verkabelungs-Strukturen hinweg möglich. Vernetzung wurde und wird in erster Linie deshalb angestrebt, um knappe Ressourcen effektiv teilen zu können, u.a. Rechenzeit (also Computerleistung), Speicherplatz sowie jede Form von Wissen (Computerprogramme, Forschungsergebnisse, Veröffentlichungen etc.). Da der Begriff „Internet“ eigentlich ausschließlich die übergeordnete Verbindungs-Ebene meint, lebt das Netz hauptsächlich von den Angeboten, die der Netzgemeinschaft vom jeweiligen Unternetzwerk bereitgestellt werden. Gleichzeitig dürfen die Computer eines Unternetzwerkes beliebige Angebote fremder Unternetzwerke in Anspruch nehmen. Durch diese Philosophie des Teilens stieg die Anzahl der verfügbaren Angebote in allerkürzester Zeit dramatisch an, erweiterte sich das „Internet“ mit rasender Geschwindigkeit und leistete so einen kaum zu überschätzenden Beitrag zu unserer heutigen modernen und digitalisierten Welt. Mit der Internet-Technologie als weltumspannendem „Vermittler“ und „Verbinder“ entfaltet sich das volle Potential zahlreicher Einzel-Erfindungen; dieses wird dadurch als eigenständiges Medium ganz neu nutzbar für den einzelnen Menschen – bleibt nur noch, Verständnis und Bewusstsein zu vertiefen, um optimal am gegenwärtigen Gestaltungsprozess teilnehmen zu können.
Internet-Wolke und viele Unternetzwerk-Wolken, in welchen sich zahlreiche Digital-Geräte tummeln

#2: Datenbahn-Routenplan

Im letzten Artikel wurde das Internet als „Verbinder“ zwischen lokalen Computernetzwerken vorgestellt. Aber mit welchen Mechanismen wird auf welche Weise Vernetzung bewerkstelligt und wie kommen Daten von A nach B?

Bei der Kommunikation zwischen zwei Computern sind auf unterster Ebene die Netzwerkkabel beteiligt. Alle Daten (Text, Bilder, Programme, Musik), die auf einem Computer oder auf einem angeschlossenen Gerät gespeichert sind, können in Form von elektronischen oder optischen Signalen über ein Kabel übermittelt werden. Bei der elektronischen Variante mittels Kupferkabeln geschieht die Übermittlung in etwa wie beim Morse-Telegrafen, ist mit „Blitzgeschwindigkeit“ aber leider zu langsam, weshalb stattdessen vermehrt via Glasfaserkabel Lichtstrahlen (Lichtgeschwindigkeit) übertragen werden. Da für die Anschlüsse in die Häuser hinein üblicherweise herkömmliche Kupferkabel verbaut wurden und werden, bilden sie an dieser Stelle eine Art „Flaschenhals“, welcher die Übertragungsrate wiederum ausbremst. Die größeren Verbindungsstrecken zwischen Kontinenten, Ländern und Rechenzentren (das sog. „Backbone“, deutsch: Rückgrat, d.h. des Internets) sind jedoch in der Lage, mehrere hundert Gigabit pro Sekunde durchzuschleusen.

Wenn Daten (beispielsweise die eines laufenden Online-Spiels oder ein Textdokument im E-Mail-Anhang) verschickt werden sollen, müssen sie erst in kleinere Datenpakete aufgeteilt werden. Jedes dieser Pakete wird sich später einen eigenen Weg durch das Internet suchen und meistens auch ankommen. Ein Paket kennt lediglich die Zieladresse des Empfängers, weiß aber nicht, wo genau sich das Ziel befindet und wird mit nur dieser Information ins Netz eingespeist. Ist der Zielrechner Teil desselben Unternetzwerks, wird das Paket von einem Switch direkt zugestellt. Der Switch kennt die Adressen der an ihn angeschlossenen Computer und leitet ein eingehendes Paket zum entsprechenden Ausgang mit passender Adresse um. Befindet sich das Ziel in einem anderen Netzwerk, gibt der Switch das Paket an den Router weiter. Der Router kennt zwar keine Computeradressen, dafür aber alle Netzwerke, mit denen er in Verbindung steht. Sollte das Ziel-Netzwerk außerhalb seines Sichtbereichs liegen, wird das Paket mithilfe eines Standard-Ausganges an den nächst(höher)en Router weitergegeben in der Hoffnung, dass diesem das Ziel-Netz bekannt ist. Dieser Vorgang wiederholt sich so lange, bis der erste Router einen Weg hin zum Zielnetz kennt und an tiefere Netzwerkebenen weiterleiten kann oder alternativ das Paket bereits zu lange unterwegs war, um noch zugestellt zu werden (das Paket wird dann schlicht und einfach verworfen).
Ein Datenpaket in Turnschuhen steht vor einer Kreuzung, deren Wegweiser lautet: Alle Richtungen

Bei diesem Verfahren sind weder die Routen (Wege/Pfade, die ein Datenpaket nehmen kann) starr vorgegeben, noch besteht der Anspruch auf den direktesten Weg. In der Tat nehmen viele Pakete einen großen, aber evtl. schnelleren Umweg, bevor sie ihr Ziel erreichen (um von Zuhause aus die Webseite der städtischen Bücherei aufzurufen, wird die Anfrage möglicherweise von Deutschland aus nach Frankreich, nach Amerika, nach England und wieder zurück nach Deutschland geschickt). Da ein Router nur seine Nachbarnetze und Wege in Richtung von einigen weiter entfernten Netzwerken zu kennen braucht, anstatt über die gesamte Netzstruktur informiert sein zu müssen, können Teile des Internets im laufenden Betrieb abgeschalten oder erweitert werden, ohne dass gleich das komplette Internet in Mitleidenschaft gezogen wird – ein Datenpaket muss schließlich nicht mehr tun als an eine andere Abzweigung im Verbindungsgewirr umgeleitet zu werden. Diese Funktionalität ist bei der Konzeption des Internets von vornherein angestrebt worden, da einerseits gemäß einer Studie des US-Militärs im Falle von nuklearen Angriffen (welche weite Teile einer Netzwerkinfrastruktur zerstören würden) trotzdem etliche Computerstationen via beliebiger Alternativrouten erreichbar bleiben würden, während andererseits Forschung und Wissenschaft ein verlässliches, dynamisches Netzwerk zum internationalen Austausch von Ergebnissen erforderte. Heute ist dieses Netz längst auch gewöhnlichen Privatpersonen allgemein zugänglich, sodass wir von diesen Vorteilen ebenfalls profitieren.

#3: Und wofür? Hyperverweisende Endlos-Dokumente!

In den vorhergehenden Artikeln wurde aufgezeigt, was das Internet seinem Wesen nach ist – zunächst nicht mehr als eine Kommunikations-Infrastruktur. Nun wird dessen Nutzung näher beleuchtet.

Während andere Netze meist auf ein bestimmtes Anwendungsgebiet spezialisiert sind, ist das Internet als loser Verbund von Computer-Netzwerken auf die Übermittlung beliebiger Datenpakete ausgelegt und kann demgemäß vielseitig eingesetzt werden. E-Mail, Chat, Internet-Telefonie, Filesharing usw. sind gänzlich eigenständige Dienste/Protokolle, welche aber alle über dieselbe Technologie und Verkabelung namens „Internet“ abgewickelt werden. Ein besonders bekannter Dienst ist das World Wide Web.

Beim WWW wird das Internet dazu verwendet, Dokumente auf verschiedenen Computern bereitzustellen und abzurufen. Für diesen Zweck gibt es zwar eine ganze Reihe von ähnlichen Diensten, die aber je nach Aufgabenstellung mehr oder weniger geeignet sind. WWW-Dokumente („Webseiten“) sind dazu gedacht, direkt auf dem Monitor angezeigt zu werden und haben dementsprechende Eigenschaften: es gibt keine Unterteilung in Papier-Seiten, d.h. eine Webseite ist per Definition ein endlos fortlaufender Informationsträger. Ferner kann unmittelbar im Text auf andere Dokumente verwiesen werden (mit sog. „Links“), wodurch man bequem zwischen verschiedenen Webseiten hin- und herwechseln kann. Je nachdem, wie ein Dokument gestaltet wurde, kann es über den Verlinkungs-Mechanismus eine komplexe Seiten-Navigation oder auch externe Referenzen abbilden, welche beide für den Benutzer durch einfaches Anklicken zugänglich sind. Daneben wurden die Web-Dokumente aber auch um klassische Elemente aus dem Computer-Umfeld bereichert, insbesondere um Schaltflächen, Eingabefelder, Tabellen und sonstige Datei-Objekte wie Video-Flächen, Diagramme, Applikationen, etc. Jede Webseite also, die über das Internet abgerufen werden kann, ist aus diesen grundlegenden Komponenten zusammengesetzt. Anordnung, Gestaltung und Funktionsweise kann vom jeweiligen Webseiten-Autor völlig frei bestimmt werden – aus diesem Grund finden sich recht unterschiedliche Layout- und Navigations-Konzepte umgesetzt.
Webseite als Möbiusband-Schriftrolle, die aus dem Text heraus mit Pfeilen auf andere Stellen im Dokument verweist

Computer-Benutzer können problemlos eigene Webseiten am heimischen Rechner verfassen, entweder unter Verwendung von Hilfsprogrammen oder mit einem einfachen Texteditor. Um ein WWW-Dokument weltweit zu veröffentlichen, ist aber noch ein weiterer Schritt notwendig. Weil der lokale Computer meist in einem Unternetzwerk verborgen ist, braucht es einen entsprechenden Anbieter, der über eine statische IP verfügt. Eine IP ist die Adress-Nummer eines Computers in einem Netzwerk, folglich analog dazu im Internet. Damit Internet-Benutzer sich keine Nummern merken müssen, gibt es pro Land eine Verwaltungsorganisation, die Inhaber ihrer sog. Top-Level-Domain ist. Die TLD für Deutschland lautet „de“. Der Verwalter löst bei einer Anfrage „skreutzer.de“ den Domain-Namen „skreutzer“ zur entsprechenden IP auf und teilt so den tatsächlichen Zielcomputer mit. Neben einem Domain-Eintrag muss darüber hinaus auf dem Zielcomputer eine Server-Software betrieben werden. Server-Software wartet möglichst 24h auf Anfragen, die mit „http“ beginnen (die Protokoll-Angabe „http“ deutet an, dass es sich um das WWW handelt, und nicht etwa das „www“ in Web-Adressen), sucht die gewünschte Seite auf der angeschlossenen Festplatte und liefert bei Erfolg das angeforderte Web-Dokument aus. Zu einem solchen Zielcomputer (Server) sollte eine schnelle Internet-Verbindung bestehen, Ausfall-Sicherheit sollte gewährleistet sein. Rechenkapazität, Speicherplatz und Wartung sind weitere Kriterien, weshalb sich ein privater Server oft nicht lohnt und stattdessen kostenlos oder gegen Miete ein Anbieter diese Aufgaben übernimmt. Ein Webseiten-Autor erhält vom „Webspace“-Anbieter üblicherweise eine frei wählbare Domain und Zugangsdaten zu Server-Speicherplatz. Unter Angabe der Zugangsdaten können die Web-Dokumente vom eigenen Computer auf den Server hochgeladen werden (z.B. via FTP, einem Protokoll zur Übertragung von Dateien. FTP benutzt genau wie WWW das Internet als Infrastruktur) und sind von da an weltweit zugänglich.

Ein Internet-Benutzer muss somit nicht mehr tun, als ein HTTP-Programm (= „Web-Browser“ wie Firefox oder Internet Explorer) zu installieren, welches Anfragen an einen Server stellen kann und zurückgelieferte Dokumente auf dem Monitor anzeigt. Dieses unauffällige Dokumenten-Konzept hat dem Internet derart zum Durchbruch verholfen, dass die Begriffe „Internet“ und „Web“ heute sogar synonym verwendet werden und ein „net“ ohne „web“ unvorstellbar scheint.

#4: Alle deine Freunde

WWW und Webseiten können vielseitig eingesetzt werden. Ein Anwendungsgebiet ist das Abbilden von zwischenmenschlichen Beziehungen via Software.

Anders als bei anderen Medien bietet das WWW die Möglichkeit, eigene Inhalte einem potentiell großen (und teils unbekannten) Publikum zur Verfügung zu stellen. Um welche Inhalte es sich dabei handelt, ist jedem Nutzer freigestellt. Dadurch wird auf manchen Seiten Politik diskutiert, daneben kommt Werbung für einen Online-Shop und an dritter Stelle werden Gerätetreiber zum Download angeboten. Für die breite Masse an Privatleuten ist aber ein ganz anderes Nutzerverhalten typisch: die private Selbstdarstellung. Vielfach geschieht dies im Rahmen von persönlichen Homepages, also Webseiten, die selbst erstellt oder mit einem Hilfsprogramm erzeugt wurden und nur über die Hobbies, Aktivitäten oder den Beruf des jeweiligen Autors berichten. Weil hierfür aber ein Mindestmaß an Grundwissen über Webseiten-Erstellung erforderlich ist und es zudem schwer fällt, eine Person im weltweiten Web eindeutig ausfindig zu machen, hat sich stattdessen eine ganz andere Art von Software in diesem Bereich etabliert: die sog. „sozialen Netzwerke“.

Was die sozialen Netzwerke leisten, ist keineswegs neu. Menschen wollen aktiv miteinander kommunizieren, und das Internet ist dafür ideal geeignet. Schon früh haben sich aus diesem Grund die Mailbox-Szene, bestimmte Newsgroup-Zweige (Usenet) oder auch die zahllosen Chats herausgebildet, wo der alltägliche Austausch im Mittelpunkt steht. Dort lernt man Leute kennen, erfährt mit der Zeit mehr über die Gesprächspartner und schließlich zählt man sie zum Freundeskreis; man trifft sich regelmäßig online – womöglich, ohne sich ein einziges Mal real zu begegnen. Solche Kommunikationskanäle sind aber naturgemäß auf eine bestimmte Einsatzart beschränkt und bieten oft keinerlei Unterstützung an, um beispielsweise Kontakte zu verwalten. Dem E-Mail-Dienst fehlt das persönliche Profil, der persönlichen Homepage fehlt eine Benachrichtigungs-Funktionalität. Soziale Netzwerke sind Websites, welche versuchen, alle Funktionen, die für soziale Interaktion genutzt werden können, unter einem Hut anzubieten.
Zwei Menschen reichen sich die Hand durch ihren Monitor hindurch

Soziale Netzwerke bieten ihren Nutzern eine Reihe von typischen und immer wiederkehrenden Erkennungsmerkmalen. Es ist zunächst wichtig, möglichst viele Benutzer im Netzwerk zu halten, denn idealerweise wünscht man sich ein einziges globales Netz, in welchem jede Person exakt ein Mal vertreten ist und dort auch problemlos gefunden werden kann. Hierfür ist eine zentrale Anmeldung mit geeigneter Benutzer-Identifikation notwendig, denn doppelte oder Schein-Identitäten sind unerwünscht, Anonymität ebenso. Betreiber von sozialen Netzwerken müssen nicht allein aus Datenschutzgründen die Einsicht von vertraulichen Informationen ohne vorherige Authentifizierung unterbinden – es kann durchaus auch einen Reiz ausmachen, mehr Informationen über bekannte und fremde Personen zu erhalten, die man ohne das soziale Netz nicht erhalten hätte. Nach außen sind solche Plattformen deshalb oft undurchlässig, im Innern bestehen dagegen meistens weniger Beschränkungen, als man sich manchmal wünschen würde. Auf diese Weise werden neue Interessenten angelockt und gleichzeitig wird versucht, das Verlassen des Netzwerkes oder einen Umstieg so schwer wie möglich (d.h. so schwer wie irgend zulässig) zu gestalten. Der potentielle Verlust von sozialen Bekanntschaften, der eingestellten Daten und der Interaktionsmöglichkeiten muss für den einzelnen Menschen (ggf. künstlich) unannehmbar gemacht werden, denn nur so kann sich ein soziales Netz am Leben erhalten. Eine Software, die ähnliche Funktionen bereitstellt, aber keine Benutzer hat, mit denen man sich unterhalten könnte, ist schlichtweg der Bedeutungslosigkeit anheimgestellt. Innerhalb der Software wird in der einen oder anderen Form die Pflege eines persönlichen Profiles unterstützt, um Angaben zur eigenen Person hinterlegen zu können. Ein Profil kann durchaus kunstvoll gestaltet werden, um Besucher umfassend zu informieren und sich selbst so interessant wie möglich darzustellen. Profile können zu einem virtuellen Freundeskreis hinzugefügt werden, welcher über die Zeit nach Belieben angepasst werden kann. Es bestehen in der Regel direkte (etwa per Chat) und indirekte (etwa per E-Mail) Kommunikationskanäle, um mit anderen Nutzern in Verbindung zu treten, und das unabhängig davon, ob sie momentan auf der Plattform angemeldet sind oder nicht. Darüber hinaus ist eine Vielzahl von weiteren Diensten integraler Bestandteil derartiger Software: der Austausch von Urlaubsbildern, Termin-Verabredungen, Restaurant- und Kino-Bewertungen, Standortsuche, Mini-Spiele, Nachrichten, Statusupdates oder Informationen über lokale Events, um nur einige exemplarisch zu nennen – je mit dem Ziel, einerseits dem Benutzer eine einheitliche Oberfläche zu liefern im Gegensatz zum unüberschaubaren Webseiten-Salat, ihn aber auch andererseits an das soziale Netz zu binden.

Der Sinn und Nutzen von sozialen Netzwerken ist eindeutig: sie dienen der Schaffung und Erhaltung von sozialen Kontakten, die dank des Internets nicht mehr räumlich gebunden sind und deshalb ganz andere Dimensionen annehmen können, als dies herkömmlich der Fall wäre. Wer will schon mit 100 Menschen in Verbindung stehen und diese vor Ort besuchen müssen, um mehr über ihr Wohlergehen erfahren und an ihrem Erleben teilnehmen zu können? Mit den heutigen Technologien sind weit größere Personenkreise mühelos zu bewältigen. Besagte Netzwerke bedienen die sozialen Bedürfnisse unserer digitalisierten Gesellschaft, wo Facebook, myspace, VZnet-Netzwerke, Twitter, XING, LinkedIn, wer-kennt-wen, Diaspora und Google+ nur die bekannteren Vertreter ihrer Klasse sind.

#5: Facebook

Jeder kennt es, jeder hat schon davon gehört. Das soziale Netzwerk „Facebook“ ist aus dem persönlichen Alltag und der Internet-Landschaft nicht mehr wegzudenken.

Begonnen hat Facebook als Webseite, die das obligatorische Studenten-Jahrbuch einer Universität online abbildet. Eine solche Webseite ist relativ schnell umgesetzt und deckt einen grundlegenden Bedarf – die hinterlegten Profile (samt Bildern) erfreuten sich schnell großer Beliebtheit. Da es sich um ein privates Projekt anstatt einer staatlich geförderten Entwicklung handelte, konnten mit der Zeit Funktionalitäten zur Kontaktaufnahme und Kommunikation hinzugefügt werden. Damit trat Facebook seinen Siegeszug an: erst wurde Facebook auf alle amerikanischen Universitäten ausgeweitet, dann wurden Privatpersonen zugelassen, dann kamen Firmen und weitere Länder hinzu. Heute ist Facebook nicht nur eine Seite mit bald einer Milliarde Benutzern, sondern auch ein gleichnamiges Unternehmen mit beachtlichen Umsatzzahlen.

Das Angebot von Facebook darf keinesfalls unterschätzt werden. Wie im vorhergehenden Artikel angedeutet, leben soziale Netzwerke von der schieren Masse der angemeldeten Leute. Genau diese Disziplin hat Facebook gemeistert wie niemand sonst. Das Internet ist von vornherein dezentral konstruiert, was mit einer gewissen Anonymität einhergeht. Facebook bietet eine zentrale Plattform, in welcher möglichst ausschließlich real existierende Personen einmalig und eindeutig verzeichnet werden sollen. Damit fungiert Facebook in etwa wie das Telefonbuch des Internets, denn Einzelne mögen zwar einen Telefonanschluss haben, aber ohne Eintrag in demselben sind sie praktisch unauffindbar, sie scheinen nicht zu existieren. Weder E-Mail, noch private Webseiten, noch Suchmaschinen stellen einen vergleichbaren Service bereit. Deshalb scheint es durchaus gerechtfertigt, nach der „Generation @“ eine „Generation Facebook“ anzunehmen. Um den beschriebenen Effekt zu erreichen, wurde eine Vielzahl von Hilfsmitteln eingerichtet: im Profil die Hinterlegung von Angaben zur Person, von Bildern, Videos und aktuellem Status. Ferner die „Pinnwand“ (statische Kurznachrichten, die von den Besuchern des Profils eingesehen werden können), ein Blog (Tagebuch), Kommentier-Möglichkeiten, persönliche Nachrichten, Chat, Organisation in Gruppen (etwa zu einem bestimmten Thema) sowie das Abonnieren von Änderungsbenachrichtigungen. Alle Informationen werden von den Benutzern freiwillig angegeben und sind in der Regel per Voreinstellung (innerhalb des Netzwerkes) für jedermann uneingeschränkt sichtbar – diese Vorgehensweise ist Kalkül, da sich die Benutzer einerseits interessanter machen wollen und andererseits das Netzwerk insgesamt attraktiver erscheint. Darüber hinaus werden zahlreiche Applikationen zur Verfügung gestellt, die den Funktionsumfang nochmal stark erweitern, darunter beispielsweise Spiele oder der allseits bekannte „Like“-Button („Gefällt mir“-Schaltfläche).
Facebook als Studenten-Jahrbuch, wie ein Telefonbuch mit Telefonhörer an der Seite

So unersetzlich Facebook momentan auch sein mag, in den letzten Jahren wird zunehmend Kritik laut. Typische Problemfelder sind der chronisch schlechte Umgang mit der Privatsphäre der Nutzer, Sicherheits-Pannen oder bewusstes Daten-Sammeln wie jüngst beim eingebetteten Like-Button in fremden Webseiten, wo bei aktiver oder späterer Anmeldung, aber auch bei späterer Erstregistrierung eine Nachverfolgung der besuchten Webseiten seitens Facebook möglich war. Die Eigenauskunft oder das Beantragen einer Komplett-Löschung lässt zu wünschen übrig, schließlich sind solche Vorgänge nicht im Interesse des Unternehmens. Da Facebook sein soziales Netzwerk unentgeltlich betreibt, wird die Finanzierung über personalisierte Werbung und Auswertung/Verkauf der Nutzerdaten generiert – frei nach dem Motto: „Wer für ein Produkt nicht bezahlt, ist die Ware“. Trotz der anhaltenden Positionierungsversuche ist zumindest eines absolut sicher: die Menschen werden auf ein so nützliches Werkzeug auch in Zukunft nicht verzichten können, weswegen das „Jahrbuch“ schon jetzt nicht unerheblich zur Gestaltung des Medienverhaltens beigetragen hat.
Das Facebook-f mit herumstehenden Strichmännchen

#6: Was Facebook antreibt

Die genauere Begutachtung der elementaren Facebook-Funktionen zeigt auf, welche Zusammenhänge für die Transformation von verstreuten Daten zu einer sozialen Vernetzung verantwortlich sind.

Bei jeder neuen Registrierung beginnt der Lebenszyklus des Teilnehmers im sozialen Netzwerk ersteinmal mit einem grundlegenden Problem, denn zu diesem frühen Zeitpunkt ist noch keinerlei Vernetzung vorhanden. Es gibt nun mehrere Möglichkeiten, diese herzustellen, wobei die Auswertung von bestehenden E-Mail-Konten die womöglich wichtigste Kern-Komponente darstellt. Zu diesem Zweck werden Facebook die E-Mail-Zugangsdaten (unterstützt werden die größeren deutschen E-Mail-Anbieter) mitgeteilt, womit Facebook dann die hinterlegten Konten nach E-Mail-Adressen anderer Personen durchsucht und abgleicht, ob die gefundenen Adressen innerhalb von Facebook auf ein bestehendes Profil zutreffen. Wenn ja, ergeben sich daraus die ersten Einträge in der Freundeliste. Im nächsten Schritt werden zusätzliche Angaben des Benutzers herangezogen, um Gemeinsamkeiten zu finden – etwa die besuchten Schulen, um Schulfreunde zu finden, über den Arbeitgeber, um Kollegen als Freunde hinzuzufügen, oder eben über den gemeinsamen Wohnort. Nachdem die Freundesliste auf diese Weise initial aufgestellt wurde, besteht ferner jederzeit die Möglichkeit, die dann noch fehlenden Kontakte von Hand über deren bekannte E-Mail-Adresse nachzutragen oder Personen aufgrund von deren Facebook-Aktivitäten einen Freundschaftsantrag zu senden. Eine Reihe von einfachen Suchfunktionalitäten ermöglichen das Auffinden von weiteren Facebook-Profilen. Bei diesen Vorgängen erfährt man dann schließlich mehr über die Freunde der Freunde und entdeckt evtl. Übereinstimmungen, unterhält eine Reihe von unterschiedlich intensiven Verbindungen und wird dann auch von anderen als Freund hinzugefügt.

Die Freundesliste ist aber keineswegs nur Selbstzweck, sondern entlang der Freundes-Vermaschung verlaufen automatisierte Benachrichtigungen über neu eingestellte Inhalte, Status-Änderungen oder kürzlich favorisierte Veranstaltungen/Produkte/etc. Dementsprechend bleibt man immer auf dem Laufenden und nimmt selbst am Geschehen teil. Erleichternd kommt hinzu, dass technische Hürden beim Teilen (sprich: Anbringen, Verbreiten) von Texten an diversen Stellen, Fotos, Videos usw., aber auch die der sonst üblichen Zersplitterung aufgrund verschiedener Dienste und Technologien praktisch nicht vorhanden sind. Besonderen Schwung erfährt dieser Mechanismus dann aber erst durch die Hochverfügbarkeit via Smartphones, wo das moderne Handy mit seiner Internet-Anbindung, Applikations-Umgebung und weitreichender Multimedia-Fähigkeit überall und jederzeit die Verbindung mit dem sozialen Umfeld aufrecht erhält und darüber hinaus von unterwegs aus neue Informationspakete einspeisen kann, womit auch umgekehrt ein ständiger Abgleich der momentanen Situation in Echtzeit stattfindet. Dass nun neben diesem Basis-Nutzungsanlass umfangreiche Zusatzangebote existieren, ist eine willkommene Beigabe.
Das Facebook-f als Auto mit Motor und Getriebe

Die Vorteile liegen auf der Hand: man kann ohne große Mühe am gemeinsamen Erleben eines vernetzten Freundeskreises teilnehmen, und das unabhängig davon, ob man gerade zuhause oder unterwegs ist. Freilich wächst damit auch die Anzahl der gleichzeitig maximal pflegbaren Kontakte, sodass die Teilnehmer der vernetzten Welt ganz automatisch ein weiteres Stück zusammenrücken. Andererseits wächst der Druck auf Außenstehende, die über Facebook nicht erreichbar sind und sich damit nicht unwesentlich von einem Teil der Gesellschaft abtrennen. Teilweise kann der Facebook-Account Voraussetzung für eine Einstellung sein, oder über andere zwischenmenschliche Belange wenigstens mitentscheiden. Es gilt also, die Chancen zur Kommunikation für sich zu nutzen und dabei angemessen mit unerwünschten Nebeneffekten umzugehen.

#7: Was Facebook mit den Daten macht

Zweifellos sammelt Facebook Daten, noch dazu in erheblicher Menge. Natürlich ist dies für den Betrieb eines sozialen Netzwerks unerlässlich, jedoch – sind die Daten bei Facebook überhaupt gut und/oder richtig aufgehoben?

Um über den Verbleib der Daten bei Facebook weiter nachdenken zu können, muss zuerst geklärt werden, um welche Daten es sich überhaupt handelt. In aller Regel dürfte es sich um personenbezogene Daten handeln, denn man kann zwar ein größtenteils anonymes Profil bei Facebook führen, was aber der grundlegendsten Funktion der Software zuwiderläuft. Wenn also entsprechende Angaben im Profil hinterlegt sind, könnte man mit etwas Aufwand die tatsächliche Person hinter der virtuellen Identität ausfindig machen. Wo dies nicht sofort gelingt, ist die Verknüpfung mit den Freunden und dem Umfeld ausschlaggebend genug, um festzustellen, mit wessen Benutzer-Konto man es zu tun hat. Sogar die eigene Daten-Sparsamkeit hinsichtlich der reinen Selbstauskunft kann durch die Vernetzung untereinander problemlos kompensiert werden. Dann gibt es noch den weitaus umfangreicheren Anteil der Verlaufs-Informationen, wo Facebook weiß, wann welche Suchen abgesetzt, welche Links geklickt und welche Inhalte wie lange begutachtet wurden. Je nach Nutzungsintensität kann man vor diesem Hintergrund ein recht genaues Bild vom jeweiligen Nutzer entwerfen, und genau deshalb melden Datenschützer unaufhörlich Bedenken an – denn was, wenn diese Datenbestände jemals in falsche Hände gelangen sollten?

Doch das ist nicht die einzige Überlegung, die in der Datenschutz-Auseinandersetzung eine Rolle spielt. Eine wirksame Vorkehrung vor Missbrauch von personenbezogenen Daten kann getroffen werden, indem deren Erhebung eingeschränkt oder gänzlich unterlassen wird. Bei Facebook ist das nicht der Fall, womit die Frage aufkommt, ob denn Facebook die richtigen Hände hat, in welche man seine Daten geben sollte. Oftmals sind nicht einmal die eigenen Hände die richtigen, denn wenn derartige Aufzeichnungen über private Belange existieren, kann sich bereits der bloße Verlust schadhaft auswirken. Seitens Facebook wären in der Tat einige Hürden zu überwinden, was eine Entwendung größerer Datenbestände durch Fremde eher unwahrscheinlich macht. Andererseits ist Facebook in der Vergangenheit öfters aufgefallen durch Nachlässigkeit in der Anwendung der eigenen Sicherheitsvorgaben, ferner konnten durch Fehler in der Software oder Konzeption unberechtigt Daten anderer Personen eingesehen werden. Während Einflüsse von Außen eine vergleichsweise ähnliche Gefahr darstellen wie beim normalen Internet-Verkehr auch, ist zusätzlich das Potential für einen „Angriff von Innen“ durchaus nicht unerheblich. Facebook ist keine Wohltätigkeitsorganisation, sondern ein Unternehmen, noch dazu nach US-Recht. Für den Zugang zur Plattform ist eine allumfassende Nutzungserlaubnis Pflicht, sodass Facebook mit den Daten machen kann, was gerade lukrativ erscheint. Bisher geht es „lediglich“ um personalisierte Werbung, aber wer weiß – vielleicht wird ein Buch, ein Film, ein Verzeichnis, ein Gesundheits- oder Liquiditäts-Rating, eine Presse- oder Online-Veröffentlichung, eine Raster-Fahndung oder sonst eine Verwertung der eigenen, persönlichen Daten in Zukunft sinnvoll erscheinen. Obwohl die aufgezählten Varianten eher unwahrscheinlich sind, würde bei einer Kooperation mit einer anderen Firma oder bei Insolvenz zweifellos der Datenbestand einer dritten Partei zugänglich werden, inklusive aller Nutzungsrechte. Der Preis für Facebook misst sich also in dem Risiko, welches sich für die Nutzer zukünftig realisieren könnte. Freilich existieren hierzu noch keinerlei Erfahrungswerte, was den medienkompetenten Umgang mit dem Angebot besonders schwierig macht.
Das Facebook-f steckt seine übergroße Hand einem Blatt Papier mit Daten darauf entgegen, die ein Mensch nichtsahnend hinhält. Mit der anderen Hand hält das Facebook-f einen ganzen Papierstapel einem Henker mit Guillotine hin, der nur „Nächster...“ murmelt.

Zentrale Säulen des Internets, die da u.a. lauten Freiheit, Dezentralität und Anonymität, sind im Begriff, durch verschiedene Entwicklungen ins Wanken zu geraten, und das zum Nachteil der Menschheit insgesamt. Facebook gehört hier nicht dazu, denn es sind die Nutzer selbst, die den echten oder vermeintlichen Vorteil des sozialen Netzwerks höher wertschätzen als ihr Recht auf Selbstbestimmung und dem Unternehmen zu diesem Zweck viel Vertrauen entgegenbringen. Das Internet bietet seit jeher ein breites Spektrum an Kommunikationskanälen, wo aber die Massen deren Verwendung verweigern und sich lieber in Abhängigkeiten begeben, wird zumindest die Technik sie nicht davon zurückhalten wollen.

#8: Reise ins Urheberrecht – Historischer Abriss

Dieser Artikel ist keine Rechtsberatung! Seit dem Aufkommen von Computern bereitet das Urheberrecht immer wieder große Schwierigkeiten, weshalb heute mehr denn je der Ruf nach Reform laut wird. Für ein Verständnis der Problematik ist u.a. ein geschichtlicher Überblick hilfreich.

Vor der Erfindung der Druckerpresse waren die dem Urheberrecht zugrundeliegenden Gedanken größtenteils unbekannt und sind seitdem erst entwickelt worden. Das Urheberrecht setzt nämlich voraus, dass es ein sogenanntes „geistiges Eigentum“ an immateriellen Gütern geben kann. Von der Antike bis in die mittelalterliche Welt hinein spielte ein solches Eigentum keine große Rolle, da der Wert eines Gutes stets in seinem materiellen Träger, in seinem Medium begründet war. Ein Autor hat höchstens sein konkretes Schriftstück, ein Musiker allenfalls das aufgeführte Werk in klingende Münze umgesetzt, beides potentiell auf Auftrag oder infolge einer Festanstellung. Leser und Hörer konnten damals wie heute beliebige Nutzungen des Werkes vornehmen – etwa durch Zitieren, öffentliche Lesung, Kommentierung, Veränderung, Übersetzung oder durch Kombination mit anderen Werken. Selbst die Weiterverbreitung unterlag keiner Regulierung, da hierfür der aufwändige Vorgang des Abschreibens nötig war; analog erforderte die Aufführung eines Musikstückes, dass vorher entsprechende Fähigkeiten angeeignet wurden. In der Tat konnte und wollte man die mühevolle Kopier-Arbeit in den Schreibstuben keinesfalls unterbinden, da Bücher ohnehin selten waren und eine größere Leserschaft gleichzeitig auch ein größeres Publikum bedeutete. Einzig und allein die Verfälschung eines Originales wurde nicht gern gesehen, ohne jedoch rechtliche Mittel effektiv dagegen einsetzen zu können.

Eine Begleit-Erscheinung der Buchdruck-Revolution war von der ersten Stunde an die Institution des Verlags, resultierend aus den Inhabern der noch sehr teuren Druckerpressen samt dem angeschlossenen Vertriebs- und Distributionsnetzwerk. In kurzer Zeit war es auf einmal möglich, große Mengen an Kopien eines Originals herzustellen, sodass Autor und Verleger (sprich: Verwerter, der sich auf die reine Nutzung von Werken beschränkt) immer seltener in ein und derselben Person zu finden war. Dieser Verlust der Kontrolle des Autors über die Verwertung seiner Werke und damit verknüpft die Frage nach der Einkommensquelle sind der wesentliche Auslöser für die Existenz des Urheberrechts. Ohne dieses Recht wäre es jedem Verlag möglich, die Werke eines Autors auf beliebige Art und Weise massenhaft zu verwenden, ohne dass der ursprünglich Schaffende demgegenüber irgend einen Einfluss geltend machen könnte. Nun aber wird dem Schöpfer eines Werkes vollautomatisch ein allumfassendes Verwertungsrecht zuteil, dessen verschiedene Nutzungsmöglichkeiten er nach eigenen Vorstellungen veräußern, gewähren oder entziehen kann. Solange die Druckmaschinen und die Werkzeuge zur massenhaften Verbreitung für den Privatmenschen unerschwinglich blieben, war das Urheberrecht ein rein industriell begründetes Rechtsmittel. Die Vorteile der Autoren gegenüber ihren Verwertern ließen die Schaffung von geistigem Eigentum für erstere lukrativ werden und haben so eine Zeit lang zur Entfaltung von Wissenschaft und Meinung, somit zum Fortschritt allgemein erheblich beigetragen. Der normale Endnutzer war von diesen Regelungen nie betroffen; ihm fehlten schlichtweg die Mittel dazu, direkt mit dem Autor auf vergleichbarer Ebene in Verbindung zu treten.

Ein altes, großes Buch und ein Computer lehnen aneinander; auf dem Buch ist eine Computer-Abbildung zu sehen, während der Computer ein Buch darstellt.
Eine weitere technische Revolution, nämlich die Computer-Revolution hat dies grundlegend geändert. Das Urheberrecht der letzten Jahrhunderte trifft heute auf ein gänzlich verändertes Umfeld, wo sich aus denselben Grundsätzen mittlerweile völlig andere Konsequenzen ergeben. Jedermann kann seine eigene Vervielfältigungs-Technologie besitzen, ob diese nun in Druckern, CD-Brennern, einem Internet-Anschluss oder einer Lautsprecher-Anlage besteht. Die vormals ultimative Kontrolle der Urheber über die Verwerter wird nun ohne Unterschied auch auf die Endnutzer ausgeübt, während die Verlage angesammelte Verwertungsrechte als Lizenz zum Gelddrucken ausnützen und gegen jede anderweitige Verwendung gerichtlich vorzugehen vermögen. Dadurch wird inzwischen der eigentlich angedachte Zweck nicht mehr erreicht, sondern sogar umgekehrt – abseits der Massenverwertung wird dem einzelnen Privatnutzer die Möglichkeit genommen, sich kreativ und konstruktiv mit fremden Werken auseinanderzusetzen, besonders im Kontext des Austausches mit anderen Menschen, was letztendlich den Fortschritt ausbremst zugunsten einer Industrie mit veraltetem Geschäftsmodell. Freilich besteht die Trennung zwischen traditionellen Verwertern und Endnutzern technisch nicht mehr, in jedem Fall wird aber in Zukunft unterschieden werden müssen, ob ein Werk von einer geschäftsmäßig agierenden Verbreitungs-Entität oder einem Individuum ohne primär zahlenorientierte Absichten bearbeitet wird. Dieses Kapitel der Urheberrechtsgeschichte steht noch aus, zeichnet sich jedoch als unabwendbar ab, um überhaupt zu einer rechtlich praktikablen Basis für das 21. Jahrhundert zu gelangen.


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