Dies ist eine Rezension des Buchs „Professionelles Programmieren von Anfang an mit FreePascal und der freien Entwicklungsumgebung Lazarus – Eine praxisnahes Lehrbuch für Ein- und Umsteiger (Teil 1)“ [sic!] von Wilfried Koch, Band 3 in der Reihe „Informatik ganz einfach“ mit der ISBN 978-3-945899-01-4 unter restriktivem Urheberrechts-Rechtevorbehalt von 2016.
Grundsätzlich ist ein Buch zur Programmiersprache Free Pascal und der Entwicklungs-Umgebung Lazarus in deutscher Sprache eine gute Sache, da durch die freie Lizenzierung dieser Werkzeuge sichergestellt ist, dass ein Leser selbige auch erhalten, installieren und benutzen kann. Der Autor scheint diese Wahl aber mehr unter dem Gesichtspunkt der Kostenersparnis getroffen zu haben, als aus Gründen von Digital-Grundrechten für den Nutzer.
Der didaktische Aufbau folgt einem „additiven“ Prinzip auf Basis von praktischen Beispielen, das heißt zusammengehörende Sprachkonstrukte werden potentiell verstreut eingeführt an den Stellen, wo sie ein neues oder wiederholtes Beispiel unterstützen. Letztere bestehen immer erst aus einer Reihe von Aufgabenstellungen, die der Leser nicht gleich lösen kann, da die benötigten Sprachmittel erst anschließend besprochen werden. Es handelt sich also nicht um klassische Übungen am Ende eines Kapitels zur Vertiefung des Gelernten.
Deswegen eignet sich das Buch eher nicht als Nachschlagewerk, weil die Konzepte nicht gesammelt erläutert werden, sondern je nach Bedarf mal hier und mal da eingestreut sind. Der nur spärliche Index trägt auch kaum zur Auffindbarkeit bei. Stattdessen gewinnt man dem vorliegenden Titel vermutlich mehr ab, diese erste Einführung in die Pascal-Programmiersprache und Lazarus als IDE (Delphi-Alternative zwecks Rapid Application Development, sprich: mit visuellem GUI-Designer) linear durchzuarbeiten.
Einige Beispiele kommen aus dem Bereich der Mathematik. Das ist unter Umständen nicht ganz ideal, denn abgesehen von der zu erlernenden Pascal-Sprache wird die mathematische Notation/Symbolik als bereits bekannt vorausgesetzt. Dies muss kein Nachteil sein, sofern ein gewisses Grundwissen auf diesen zusätzlichen Gebieten vorhanden ist, auch wird die Verständlichkeit des Beispiel-Codes in Bezug auf die besprochenen Pascal-Inhalte nur unwesentlich geschmälert. Aber es ist dadurch eben auch nicht garantiert, dass wirklich jeder Leser die Aufgabenstellung erfassen kann. Von daher dienen die Aufgaben und die erst später präsentierten Lösungen mehr illustrativen Zwecken. Der Eindruck lässt sich nicht ganz vermeiden, dass es sich bei dem Werk um ein Skript zu einer Vorlesung an der Universität handeln könnte, welches zu einem Buch ausgeweitet wurde.
Größtes und völlig unnötiges Problem am Text sind die handwerklichen Mängel: Kommasetzung fehlt ganz oder erfolgt ziemlich wüst, was zwar den Stoff nicht beeinträchtigt, aber den Lesefluss stört. Durchgängig sind Tippfehler, Buchstabendreher, Dopplungen, versehentlich ausgelassene Wörter usw. zu finden. Code-Einrücking ist an sich vorhanden, aber hält sich nicht an ein einheitliches Schema, sondern wurde fast willkürlich – manchmal durch Formatierungs-Schwierigkeiten, andernmal ohne ersichtlichen Grund – durcheinandergebracht. Kennzeichnungen im Text sind überwiegend in Ordnung, aber immer mal wieder fehlend oder unvollständig/inkorrekt.
An einer Stelle (Seite 258 und folgende) ist die Pascal-Syntax des bereichsbasierten Arrays falsch wiedergegeben. Statt array[1:144]
muss es array[1..144]
heißen. Auf Seite 286 passt die Ausgabe nicht zum Code-Beispiel: die Schleife läuft nicht über F
wie sie sollte, sondern stattdessen über Fuhrpark
, und F
bleibt ungenutzt. Damit konnten zumindest diese Code-Beispiele unmöglich erfolgreich übersetzt und ausgeführt worden sein. Auch trifft der Leser gelegentlich „Fehler: Referenz nicht gefunden“ im Text an, weil ein Verweis kaputt gegangen ist und dies seither offenbar weder bemerkt noch repariert wurde.
Diese Arten von Fehlern sind besonders bemerkenswert, weil es sich um einen Print-on-Demand-Titel handelt, für den nach der Erstveröffentlichung 2016 eine korrigierte Neuauflage hätte vorbereitet werden können, und weiterhin vom gleichen Autor auch „Hausarbeiten leicht gemacht“ über die Erstellung von wissenschaftlichen Arbeiten mit OpenOffice/LibreOffice erschienen ist, was ja wahrscheinlich gerade dabei unterstützen soll, manche dieser Probleme zu vermeiden.
Zusammenfassend könnte man sagen, dass Programmierer anderer Sprachen, welche nun Pascal dazulernen möchten, durch die Defizite nicht sonderlich abgehalten werden dürften und diese leicht kompensieren können, das „Erlebnis“ bleibt aber in jedem Fall vergleichsweise getrübt. Für Ersteinsteiger in die Programmierung generell ist dieses Buch tendenziell nicht so ideal passend, wenn nicht sowieso ein Universitäts-Hintergrund vorliegt oder unterstützende Begleitung zur Verfügung steht. Anderenfalls könnte die Lernkurve etwas steiler ausfallen, als es unbedingt nötig wäre.
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